Aus Not geboren

Ein tragischer Verkehrsunfall hat den 'Siedlungsneger' auferstehen lassen. Sein älterer Bruder wurde schwerst verletzt. Operationen retteten sein Leben. Eine lange 'Reha' endete mit schlimmen Prognosen:

nie mehr sprechen

nie mehr essen

nie mehr bewegen

Was Sprechen und Essen betrifft, hat sich bei intensivster Betreuung in heimischer Umgebung, in Jahren viel verbessert - und auch wieder verschlechtert. Was Bewegung angeht, so ist ein Teil im Bereich des Kopfes zurückgekehrt. Den Kopf ein stückweit drehen, geht wieder. Den Kopf heben, geht nicht.

Man besucht den Bedauernswerten, aber Bedauern hilft ihm nicht.

Man versucht etwas zu bieten, das ihn interessiert, vielleicht sogar freut.

Man stellt fest, sein Geist folgt, wenn er angesprochen wird.

Die Ansprache gelingt dem Zwillingsbruder des Siedlungsnegers am besten mit Worten. Seine Sprachgewandtheit lässt ihn munter plaudern und zaubert dem Hilflosen ein Lächeln ins Gesicht.

Der Siedlungsneger hat diese Fähigkeit nicht. Sie sind Zwillinge wie Baumapfel und Erdapfel. Er ist nicht wirklich ein Apfel.

Die Kartoffel hat aber besondere Augen. Er arbeitet mit Bildern, die er mit der Linse seiner Kamera einsammelt. Und siehe, der Geist des Hilflosen folgt.

Zunächst waren es Fotos, die er aus einer für den Hilflosen unerreichbaren Welt mitbrachte. Fotos, von denen er glaubte, sie könnten den Bruder interessiern, vielleicht sogar erfreuen. Fotos wie dieses:


(Glanzkäfer auf Ginsterblüte)  

oder dieses: 

(Heuhüpfer auf Zistrose) 

Und siehe – ein Lächeln entspannte sein Gesicht.

Zu den Bildern konnte auch die im Verborgenen lebende Kartoffel plaudern.


Auf die Fotos folgten bald kurze, selbst poduzierte Videos.
Videos wie dieses:

(Nicht das schlechteste Werk des Siedlungsnegers)


Die Entwicklung des Siedlungsnegers ist eng mit dem Schicksal seines älteren Bruders verknüpft.

Muss er sich deshalb Asche in sein schütteres Haupthaar streuen?

Nein, sagt er selbstbewusst.

Und er sagt:

"Er hat mir ein erfüllendes Hobby geschenkt!"